Hach ja… #14

„Menschen sieht man nicht wie Häuser, Bäume oder Sterne. Man sieht sie in der Erwartung, ihnen auf eine bestimmte Weise begegnen zu können und sie dadurch zu einem Stück des eigenen Inneren zu machen. Die Einbildungskraft schneidet sie zurecht, damit sie zu den eigenen Wünschen und Hoffnungen passen, aber auch so, dass sich an ihnen die eigenen Ängste und Vorurteile bestätigen können. Wir gelangen nicht einmal sicher und unvoreingenommen bis zu den äußeren Konturen eines anderen… Und so sind wir uns doppelt fremd, denn zwischen uns steht nicht nur die trügerische Außenweilt, sondern auch das Trugbild, das von ihr in jeder Innenwelt entsteht. Ist sie ein Übel, diese Fremdheit und ferne? Müsste uns ein Maler mit weit ausgestreckten Armen darstellen, verzweifelt in dem vergeblichen Versuch, die anderen zu erreichen? Oder sollte uns sein Bild in einer Haltung zeigen, die Anderen zu erreichen? Oder sollte uns sein Bild in einer Haltung zeigen, in der Erleichterung darüber zum Ausdruck kommt, dass es diese doppelte Barriere gibt, die auch ein Schutzwall ist?“

Pascal Mercier
„Nachtzug nach Lissabon“