Der Mittelweg, immer.
Auch weil ich davon überzeugt bin, dass Extremismus in jedem Fall ein Irrtum ist, weißt du? Denk doch mal an die Unbeugsamkeit des Asketen. Sie ist ein Fehler. Der richtige Weg ist stets der Mittelweg. In zügelloser Askese zu leben, ist unmöglich. Dazu gibt es eine schöne Geschichte von Buddha. Da er seinen Körper als schwere Bürde und Konditionierung empfand, beschloss er, sich noch zu Lebzeiten von ihm zu lösen. Der Legende nach lebte er sieben Jahre lang im Wald und aß jeden Tag nichts als ein Reiskorn. Im Museum von Lahore steht eine Statue aus der Zeit von Gandhara, die einen ganz ausgemergelten Buddha darstellt. Jede Rippe, jede Ader ist zu sehen. Doch schließlich wurde ihm klar, dass er es zu weit getrieben hatte. Auf dem Weg zur Befreiung war ihm ausgerechnet sein ausgezehrter Körper zum Hindernis geworden. Was tat er also? Er setzte sich in Bewegung, begegnete einer jungen Frau, die ihm die erste Schale Milch anbot, und begann wieder zu essen.
Der Mittelweg, immer. Zwischen Askese und Hedonismus gibt es immer den mittleren Weg. Man darf weder vom Genuss abhängen, noch sklavisch eine Idee von Größe verfolgen, die durch Askese zu erreichen wäre.
Tiziano Terzani: Das Ende ist mein Anfang. München, 2007