Beziehungen

Streit gegeben? Hoch hergegangen? Das ist gut. Wahrscheinlich.

Gerade zu dieser weihnachtlichen Zeit kommt es ja oft zu Streitereien. Und bei unsereiner vielleicht sogar noch einmal mehr. Wir kämpfen dann mit der und gegen die Welt und zudem ringen wir oft genug auch mit uns selbst und unseren Dämonen. Fühlt sich ganz schlecht an. Helfen kann hier, sich vor Augen zu führen, dass diese Konflikte gut sind. Solange sie so gelöst werden, dass die psychische, seelische und körperliche Existenz, Leib und Leben nicht bedroht werden. Wenn man gut mit Konflikten umgeht, stoßen sie wichtige Entwicklungen an.

simon_konflikt„Systemtheoretisch gesehen haben Störungen […] eine ambivalente Wirkung. Sie beeinträchtigen zwar die bis dahin funktionierenden Prozesse und Strukturen, aber sie initiieren gerade dadurch Veränderungen. Ohne solche Störungen kein Lernen, keine Entwicklung, keine Umstrukturierung, keine Reform, keine Revolutionen…

Konflikte haben deshalb als Störungen eine „Alarmierfunktion“ […] und signalisieren, dass etwas geschehen muss. Sie verweisen auf eine prekäre System-Umwelt- Beziehung, die zu entgleisen droht, wenn nicht darauf reagiert wird. Wenn der Widerspruch beseitig wird und der Konflikt sich in Nichts auflöst, kann das System so bleiben, wie es war. Wenn dies nicht gelingt, dann wird das System sich verändern oder im Extremfall in einen Desintegrationsprozess gleiten: sich spalten, sich auflösen etc. Die Chance, die in jedem Konflikt (bzw. Widerspruch) liegt, besteht in der Systemveränderung, der Entwicklung – sei es des psychischen, sei es des sozialen Systems.“

(Simon, Fritz B.: Einführung in die Systemtheorie des Konflikts. Heidelberg, 2010.)

In diesem Sinne: Ergreift die Chancen, die Euch bieten! Und: Passt gut auf Euch und alle(s), was Euch wichtig ist, auf!

Sozialer Stress: Warum reagieren manche mehr darauf als andere?

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Bauer, Joachim: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Hamburg 2006, S. 60ff.

„Manche Menschen können mit Verlusten besser umgehen als andere. Warum? Besonders Säuglinge und Kinder neigen in solchen Fällen zu Panik und biologischem Stress, da sie von sozialer Unterstützung weitaus abhängiger sind als Ältere. Aber auch Erwachsene reagieren außerordentlich stark, jedenfalls stärker, als andere Menschen dies in einer gleichartigen Situation tun würden. Wenn es nicht an der besonderen Schwere des Verlustereignisses liegt, kann dies dadurch bedingt sein, dass ein in frühen Jahren erlebter Mangel an Bindungen im späteren Leben der Betroffenen zu einem so genannten unsicheren Bindungsmuster geführt hat, was bedeutet, dass sich auf jedes befürchtetete oder tatsächliche Problem in zwischenmenschlichen Beziehungen eine ungewöhnlich heftige neurobiologische Angst- und Stressreaktion einstellt. […] Frühe Erfahrungen von mangelnder Fürsorge hinterlasen eine Art biologischen Fingerabdruck, indem sie das Muster verändern, nach dem Gene in späterer Zeit auf Umweltreize reagieren.*“

Sinn der Depression: Aufzeigen, dass wir an unseren Beziehungen etwas ändern müssen?

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„Die Argumente, die den Menschen aus biologischer Sicht als Beziehungswesen ausweisen, beziehen sich auf drei fundamentale biologische Kriterien: Zum einen sind die Motivationssysteme des Gehirns in entscheidender Wiese auf Kooperation und Zuwendung ausgerichtet und stellen unter andauernder sozialer Isolation ihren Dienst ein. Zweitens führen schwere Störungen oder Verluste maßgeblicher zwischenmenschlicher Beziehungen zu einer Mobilmachung biologischer Stresssysteme. Aus beiden, sowohl aus der Deaktivierung der Motivations- als auch aus der Aktivierung der Stresssysteme, können sich gesundheitliche Störungen ergeben. Dies macht deutlich, dass Menschen nicht für eine Umwelt ‚gemacht‘ sind, die durch Isolation oder ständige Konflikte gekennzeichnet ist. Ein drittes, bislang nicht erwähntes neurobiologisches Kriterium, das den Menschen als Beziehungswesen kennzeichnet, ist das System der Spiegelnervenzellen. […] Das System dieser besonderen Zellen sorgt dafür, dass ein Individuum das, was es bei einem anderen Individuum der gleichen Art wahrnimmt, im eigenen Organismus – im Sine einer stillen inneren Simulation – nacherlebt. Dadurch ergeben sich weit reichende […] Möglichkeiten sozialer Resonanz.“

Beziehungsstress als Grund für Burnout, Depression & Herz-Kreislauf-Beschwerden

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Bauer, Joachim: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Hamburg 2006, S. 60ff.

„Wer Menschen nachhaltig motivieren will […], muss ihnen die Möglichkeit geben, mit anderen zu kooperieren und Beziehungen zu gestalten. […] Da sie mit der Ausschüttung der Glücksbotenstoffe Dopamin, Oxytozin und Opioide einhergehen, sind gelingende Beziehungen das unbewusste Ziel allen menschlichen Bemühens. Ohne Beziehung gibt es keine dauerhafte Motivation. Die von den Motivationssystemen ausgeschütteten Botenstoffe ‚belohnen‘ uns nicht nur mit subjektivem Wohlergehen, sondern […] auch mit körperlicher und mentaler Gesundheit. Dopamin sorgt für Konzentration und mentale Energie, die wir zum Handeln benötigen. Besonders gesundheitsrelevant ist jedoch das, was Oxytozin und die endogenen Opioide leisten: Sie reduzieren Stress und Angst, indem sie das Angstzentrum der Mandelkerne (Amygdala) und das oberste Emotionszentrum (Anteriorer Cingulärer Cortex) beruhigen. Belastete und belastende Beziehungen führen nicht nur zu einem ‚Sinkflug‘ der Motivationssysteme. Wenn die Ausschüttung von Oxytozin und Opioiden ausbleibt, entfallen auch die erwähnten beruhigenden Wirkungen auf das Angst- und das oberste Emotionszentrum. Dies hat eine neurobiologische Erregungsreaktion zur Folge. Im Normalfall, also bei Beziehungskonflikten, wie sie im Alltag laufend vorkommen, ist diese Reaktion durchaus sinnvoll, denn sie veranlasst uns, uns verstärkt um Kooperation und Normalisierung zu bemühen. Dauerhaft gestörte Beziehungen oder der vollständige Verlust tragender Bindungen können dagegen einen ‚Absturz‘ der Motivationssysteme zur Folge haben. Der Ausfall der beruhigenden Effekte auf die Emotionszentren kann sich in einer solchen Situation massiv bemerkbar machen. Über die Mandelkerne, die emotionalen Angstzentren des Gehirns, kann es dann zu einer Hochschaltung von Stressgenen und zur Ausschüttung von Alarmbotenstoffen  in tiefer gelegenen Hirnarealen kommen.* Abgesehen von der Möglichkeit massiver Aggressionsentwicklung, zeihen Beziehungskrisen oder Verluste in der Regel eine zweiphasige seelische Reaktion nach sich: Kurzfristig setzt meistens ein Gefühl von Schmerz und Erregung ein, das mit Angst, Panik, Trauer (oder Aggression) verbunden sein kann. Langfristig – das heißt, falls Beziehungsstörungen chronisch anhalten oder falls ein Verlust (noch) nicht verkraftet werden konnte – kann es zu verschiedenen Spielarten einer depressiven Störung kommen. Diese Reaktionsketten laufen unabhängig von unserer bewussten Kontrolle ab. Sie sind bereits bei Säuglingen zu beobachten.“

*“Bleibt bei schweren Krisen auf der Beziehungsebene die beruhigende Wirkung von Oxytozin auf die Mandelkerne (Amygdala) aus, schütten die Nervenzellen der Mandelkerne den erregenden Nervenbotenstoff (Neurotransmitter) Glutamat aus. Dieser aktiviert dann zwei in den tieferen Regionen des Gehirns gelegene Alarmzentren: Zum einen werden im Hypothalamus Stressgene angeschaltet (mit der Folge, dass es im Körper zu einer Erhöhung des Stresshormons Cortisol kommt). Zum andere aktiviert das von den Mandelkernneuronen ausgeschüttete Glutamat Alarmzentren des Hirnstamms, wo es dann unter anderem zur Ausschüttung von Noradrenalin kommen kann. Noradrenalin setzt das gesamte ‚Panikorchester‘ des Körpers in Gang, einschließlich Herz, Kreislauf und Psyche.“

Es tut sich was! „Die Revolution der Selbstlosen“

Am Freitag strahlte ARTE eine eindrucksvolle Sendung zum Thema Altruismus aus: Die Revolution der Selbstlosen. Eine wirklich sehr sehenswerte Dokumentation, weil sie – gewohnt nüchtern und natürlich völlig esoterikfrei – Hoffnung macht. Wir lernen: Es tut sich was. Allerorten! Deshalb: Wärmste Empfehlung!

Die Sendung wird am 4.3.2016 vormittags noch einmal wiederholt, ist aber auch noch eine Weile in der ARTE-Mediathek abrufbar.