Du bist nicht allein #9
Es hat schon ganz andere getroffen. Und aus denen ist auch noch was geworden. Zum Beispiel:
Isaac Newton
Es hat schon ganz andere getroffen. Und aus denen ist auch noch was geworden. Zum Beispiel:
Isaac Newton
Ich verstand nicht, warum sich einer umbringen wollte. Auch nach all den Wochen verstand ich es nicht.
Also, irgendwie verstand ich es schon, aber ich verstand nicht, dass es einer wirklich versuchte.
Traurig sein und sich umbringen wollen, das waren zwei ganz verschiedene Paar Stiefel.
Ich wusste, was Depressionen waren. Meine Mutter hatte es mir erklärt. Das war, wenn einer bloß noch dasaß. Oder lag. Und nichts mehr tun konnte. Normalerweise führte ein Gedanke zum nächsten. Aber wenn man Depressionen hatte, führte kein Gedanke irgendwohin. Er hörte einfach auf.
Ein Gehirn mit Depressionen, das war wie ein Fahrrad mit einem kaputten Tretlager. Man konnte strampeln, wie man wollte, aber man kam doch nicht vom Fleck.
Bov Bjerg: Auerhaus. München, 2015
Da wir nun mal keine „Herkulesse“ sind, werden wir mit dieser Einstellung an einen Punkt kommen, an dem wir dem permanenten Anforderungsdruck nicht mehr gewachsen sind. Wir werden uns überfordern. Wer so denkt, wird allerdings auch die Warnsignale überhören, die Körper und Geist vorsichtshalber eingerichtet haben. Es ist ein Kreislauf, verhängnisvoll wie bei Sisyphos, denn wer so denkt, hat es ja gerade gelernt, sich zu überwinden, also die Sicherheitsvorkehrungen und Warnschüsse zu ignorieren.
Carola Kleinschmidt ist Autorin einiger sehr guter Bücher zu unserem Thema. (Zuletzt „Burnout – und dann? Wie das Leben nach der Krise weitergeht„). Sie schreibt auch auf Die Ratgeber, eine Website zum Thema Arbeitswelt mit speziellem Fokus auf stressfreies und gesundes Arbeiten. Zu finden ist hier das lesenswerte Dossier Burnout. Und, kürzlich veröffentlicht, auch ein paar hörenswerte kurze Podcasts zum Thema Resilienz: Die sieben Säulen der Resilienz.
Die Masken aufrecht erhalten, sich keine Blöße geben, weitermachen, egal, wie wir uns fühlen, das sind persönliche und gesellschaftliche Muster, die unsereiner besonders zu schaffen machen. Das Gegenteil wäre gut. Das zumindest legt dieser sehr lesenswerte und nachvollziehbare Artikel auf ze.tt nahe.
„Seit der Zeit in der Tagesklinik misst Daniel alles, was er tut, ganz pragmatisch an seinem neuen Lebensmotto: ‚Ich bin gut, so wie ich bin.‘ Der 33-Jährige erklärt: ‘Das heißt: Ich kann machen, was ich möchte. Und es hat bestimmte Konsequenzen. Aber es geht nicht darum, etwas zu tun, damit andere mich mögen oder toll finden. Ich selbst kann mich akzeptieren wie ich bin.‘ Der Satz klingt einfach, aber das war wohl Daniels größte Lehre. Denn sein früheres Lebensmotto entsprang natürlich der Idee, dass er eben nicht gut genug sei, so wie er ist. Sondern, dass er ordentlich ackern müsse, um etwas wert zu sein. Erst nach der zweiten Krise hatte er die Kraft, sich konsequent von dieser elterlichen Prägung zu lösen.“
Kleinschmidt, Carola: Burnout – und dann? Wie das Leben nach der Krise weitergeht. München, 2016.
Es hat schon ganz andere getroffen. Und aus denen ist auch noch was geworden. Zum Beispiel:
Catherine Zeta-Jones
„Die Suche nach den Schuldigen für das geistige, gesellschaftliche oder familiäre Klima, in das man hineingeboren worden ist, hat im Nachhinein wenig Sinn, sie kann eigentlich nur einem einzigen Zweck dienen, nämlich zu erkennen, wie man selbst an der Gestaltung eines bestimmten Klimas mitwirkt, um nicht lebt erneut aus Unwissenheit schuldig werden zu müssen. Denn das Klima, in dem Menschen künftig aufwachsen und leben, lässt sich ebenso verändern wie die Art und Weise, wie wir unser Gehirn fortan benutzen.“
Hüther, Gerald: Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Göttingen, 2012
Baby bitte mach dir nie mehr Sorgen um Geld,
Gib mir nur deine Hand ich kauf‘ dir morgen die Welt.
Egal wohin du willst wir fliegen um die Welt,
Hauen sofort wieder ab, wenn es dir hier nicht gefällt.
An den psychischen Erkrankungen von heute wie Depression, Burnout oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom ist dagegen kein Verdrängungs- oder Verneinungsprozess beteiligt. Sie verweisen vielmehr auf ein Übermaß an Positivität, also nicht auf die Verneinung, sondern eher auf das Unvermögen, Nein zu sagen, nicht auf das Nicht-Dürfen, sondern auf das Alles-Können.
Byung-Chul Han: Müdigkeitsgesellschaft. Berlin 2016
„Die Gesellschaft der Positivität, die sich von allen Fremdzwängen befreit zu haben glaubt, verstrickt sich in destruktive Selbstzwänge. So weisen die psychischen Erkrankungen wie Burnout oder Depression, die Leitkrankheiten des 21. Jahrhunderts, allesamt autoaggressive Züge auf. Man tut sich selbst Gewalt an und beutet sich selbst aus. An die Stelle der fremdverursachten Gewalt tritt eine selbstgenerierte Gewalt, die fataler ist als jene, denn das Opfer dieser Gewalt wähnt sich in Freiheit.“
Byung-Chul Han: Müdigkeitsgesellschaft. Berlin 2016
Noch einmal sei erinnert auf die im März stattfindende finde Fachtagung „Psychische Gesundheit, Stress Arbeitsplatz und Burnout“
Mittwoch, den 8. März 2017
von 10 bis 16 Uhr
im Gasteig in München (Blackbox)
Die Tagung ist kostenlos und erfolgt im Rahmen der Kampagne „Bitte stör mich! Aktiv gegen Depressionen“ des Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Ausgerichtet wird die Veranstaltung durch Dr. med. Claus E. Krüger von der psychosomatischen Abteilung der Kreisklinik Ebersberg.
Die Veranstalter bitten um verbindliche Anmeldung bis zum 2. März 2017 per Mail psychosomatik@klinik-ebe.de oder per Fax an 08092/82 2672
„Das spätmoderne Leistungssubjekt geht keiner Pflichtarbeit mehr nach. Nicht Gehorsam, Gesetz und Pflichterfüllung, sondern Freheit und Freiwilligkeit bilden sein Maxime. Von der Arbeit erwartet es vor allem Lustgewinn. Es handelt auch nicht auf das Geheiß des Anderen hin. Vielmehr hört es vor allem auf sich selbst. Es hat ja ein Unternehmer seiner selbst zu sein. So entledigt es sich der Negativität des gebietenden Anderen. Diese Freiheit vom Anderen ist aber nicht nur emanzipierend und befreiend. Die verhängnisvolle Dialektik der Freieheit lässt diese in neue Zwänge umschlagen.“
Byung-Chul Han: Burnoutgesellschaft. In: Ders.: Müdigkeitsgesellschaft. Berlin 2016
ze.tt wies neulich auf eine australische Studie hin, die sich damit beschäftigte, was gesunde Wochenarbeitszeiten sind: Das Ergebnis dürfte zumindest für diejenigen, die schon einmal „ausgebrannt“ sind, wenig überraschend sein: „So lange sollten wir maximal arbeiten„.
Es hat schon ganz andere getroffen. Und aus denen ist auch noch was geworden. Zum Beispiel:
Ben Stiller