Oliver Kahn: Und danach?
Nach meinem Burn-out war ich klüger. Ich begann zu verstehen, dass es im Leben noch andere Dinge gibt. als seinen Zielen hinterherzuhecheln. Jetzt versuchte ich, einen Rhythmus zu finden zwischen totaler Hingabe für meine Ziele und der Entspanntheit, wie sie eben auch zum Leben gehört. Ich fing an, mich zu belohnen, wenn ich einen „Feldzug“ beendet hatte. Ich fing an, mich umzusehen, nicht im Sinne eines Zurückschauens, sondern im Sinne des Um-sich-herum-Schauens. […]
Ich muss entschieden sagen, dass ich auch diese Phase, diese für mich so neue Einstellung zum Leben, nach dem Prinzip Trial and Error anging: etwas versuchen, Fehler machen, lernen, wieder versuchen. Da ja zu meinem neuen Konzept auch der Baustein „Leben“ gehörte, habe ich auch das getan: gelebt. Das hat zu einigen Irrwegen geführt. Man könnte es aber auch milder ausdrücken. Ich erinnere mich an ein Buch des Kunstsammlers Heinz Berggruen, es hieß „Hauptweg und Nebenwege“. Das habe ich mir gemerkt, weil ich es für ein sehr vernünftiges Bild halte. Ich wollte ja gerade aufhören, mich fortwährend zu geißeln. Also sollte auch mein neues Leben nicht aus „Hauptwegen und Irrwegen“, sondern nach Berggruen aus „Hauptwegen und Nebenwegen“ bestehen. Ich habe aber auch neue, echte Qualitätswege eingeführt.
Kahn, Oliver: Ich. Erfolg kommt von innen. München, 2008