Der Begriff Burnout kommt in meiner Denkwelt nicht vor (zu Recht, wie ich später lernen werde), vor allem weil er so modisch ist. Wenn ich schon durchdrehe, möchte ich wenigstens eine extravagante Krankheit haben. Er kommt auch deshalb nicht vor, weil ich Burnout bekloppt finde. Wieso soll ich ausgebrannt sein? Es ist ja gar nicht so, dass ich bilderbuchmäßig 20 Stunden am Tag arbeite. Wenn jemand Burnout haben müsste, dann am ehesten die Bundeskanzlerein. Hat sie aber nicht. Und ich schon gar nicht.
[…] In Wirklichkeit bin ich längst verloren, ich kann mir nur noch nicht erklären, wieso und weshalb und bin deshalb nicht bereit zu aktzeptieren, dass ich fertig bin. Es trennt mich nicht mehr viel davon, ein psychisches Wrack zu sein.
Quälende zwei weitere Wochen wird dieser Zustand anhalten, sich sogar massiv verstärken: manchmal werde ich zuversichtlich sein, manchmal werde ich in tiefe Depressionen rutsch. Und immer werde ich unruhig sein. Von Tag zu Tag kenne ich mich selbst immer weniger. Mein Körper wird mir fremd, nicht nur weil ich immer mehr abnehme, auch weil ich nicht mehr klarkomme mit dem, was mein Körper da mit mir veranstaltet. Mittlerweile habe ich alle Kategorein von Ärzten aufgesucht, bin einmal komplett durchgecheckt, nicht mal einen neurologischen Befund gibt es, meine Nerven sind intakt, das klingt für mich so absurd, das passt nicht zu meiner Konstitution, ausgerechet meine Nerven sollen in Ordnung sein!
Aus: Striemer, Rüdiger: Raus! Mein Weg von der Chefetage in die Psychiatrie und zurück. Berlin, 2015.