Beziehungsstress als Grund für Burnout, Depression & Herz-Kreislauf-Beschwerden

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Bauer, Joachim: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Hamburg 2006, S. 60ff.

„Wer Menschen nachhaltig motivieren will […], muss ihnen die Möglichkeit geben, mit anderen zu kooperieren und Beziehungen zu gestalten. […] Da sie mit der Ausschüttung der Glücksbotenstoffe Dopamin, Oxytozin und Opioide einhergehen, sind gelingende Beziehungen das unbewusste Ziel allen menschlichen Bemühens. Ohne Beziehung gibt es keine dauerhafte Motivation. Die von den Motivationssystemen ausgeschütteten Botenstoffe ‚belohnen‘ uns nicht nur mit subjektivem Wohlergehen, sondern […] auch mit körperlicher und mentaler Gesundheit. Dopamin sorgt für Konzentration und mentale Energie, die wir zum Handeln benötigen. Besonders gesundheitsrelevant ist jedoch das, was Oxytozin und die endogenen Opioide leisten: Sie reduzieren Stress und Angst, indem sie das Angstzentrum der Mandelkerne (Amygdala) und das oberste Emotionszentrum (Anteriorer Cingulärer Cortex) beruhigen. Belastete und belastende Beziehungen führen nicht nur zu einem ‚Sinkflug‘ der Motivationssysteme. Wenn die Ausschüttung von Oxytozin und Opioiden ausbleibt, entfallen auch die erwähnten beruhigenden Wirkungen auf das Angst- und das oberste Emotionszentrum. Dies hat eine neurobiologische Erregungsreaktion zur Folge. Im Normalfall, also bei Beziehungskonflikten, wie sie im Alltag laufend vorkommen, ist diese Reaktion durchaus sinnvoll, denn sie veranlasst uns, uns verstärkt um Kooperation und Normalisierung zu bemühen. Dauerhaft gestörte Beziehungen oder der vollständige Verlust tragender Bindungen können dagegen einen ‚Absturz‘ der Motivationssysteme zur Folge haben. Der Ausfall der beruhigenden Effekte auf die Emotionszentren kann sich in einer solchen Situation massiv bemerkbar machen. Über die Mandelkerne, die emotionalen Angstzentren des Gehirns, kann es dann zu einer Hochschaltung von Stressgenen und zur Ausschüttung von Alarmbotenstoffen  in tiefer gelegenen Hirnarealen kommen.* Abgesehen von der Möglichkeit massiver Aggressionsentwicklung, zeihen Beziehungskrisen oder Verluste in der Regel eine zweiphasige seelische Reaktion nach sich: Kurzfristig setzt meistens ein Gefühl von Schmerz und Erregung ein, das mit Angst, Panik, Trauer (oder Aggression) verbunden sein kann. Langfristig – das heißt, falls Beziehungsstörungen chronisch anhalten oder falls ein Verlust (noch) nicht verkraftet werden konnte – kann es zu verschiedenen Spielarten einer depressiven Störung kommen. Diese Reaktionsketten laufen unabhängig von unserer bewussten Kontrolle ab. Sie sind bereits bei Säuglingen zu beobachten.“

*“Bleibt bei schweren Krisen auf der Beziehungsebene die beruhigende Wirkung von Oxytozin auf die Mandelkerne (Amygdala) aus, schütten die Nervenzellen der Mandelkerne den erregenden Nervenbotenstoff (Neurotransmitter) Glutamat aus. Dieser aktiviert dann zwei in den tieferen Regionen des Gehirns gelegene Alarmzentren: Zum einen werden im Hypothalamus Stressgene angeschaltet (mit der Folge, dass es im Körper zu einer Erhöhung des Stresshormons Cortisol kommt). Zum andere aktiviert das von den Mandelkernneuronen ausgeschüttete Glutamat Alarmzentren des Hirnstamms, wo es dann unter anderem zur Ausschüttung von Noradrenalin kommen kann. Noradrenalin setzt das gesamte ‚Panikorchester‘ des Körpers in Gang, einschließlich Herz, Kreislauf und Psyche.“