Buchempfehlung „Kriegsenkel“

Hallo Zusammen,

ich lese gerade ein sehr geniales Buch, das auch nur durch Empfehlung den Weg zu mir gefunden hat: „Kriegsenkel – die Erben der vergessenen Generation“ von Sabine Bode.

Wer oder was sind „Kriegsenkel“? Die Kriegsenkel sind die heute 35- bis 50-Jährigen Kinder der „Kriegskinder“. Sabine Bode verdeutlicht anschaulich die weitreichenden transgenerationalen Auswirkungen auf ihre Erziehung und Entwicklung  und sogar auf her gegenwärtigen Beziehungen.

Aber was soll das mit Burnout bzw. Depression zu tun haben? Mich haben bestimmte Sätze aus den Erzählungen verschiedenster Menschen sofort aufhorchen lassen. Hier ein paar Auszüge aus dem Buch:
? „Ich kann meine Eltern emotional nicht erreichen.“
? „Nun aber, in seiner Traumwohnung, quasi am Ziel seiner Wünsche, wurde Robert von Schuldgefühlen geplagt. Eine innere Stimme setzte ihm zu, eine Stimme, die nicht verstummen wollte: „Es geht Dir zu gut! Du arbeitest nicht hart genug! Du willst mit 30 Wochenstunden ein schönes Leben führen! Und Du willst mehrere Monate im Jahr in Urlaub fahren. Das leistest Du Dir alles und hast auch noch Erfolg. Du hast eine gute Beziehung. Und nun auch noch Eigentum. Das ist zu viel. Das steht Dir nicht zu!““
? „Ich weiß, die meisten Menschen denken: mit den Kriegserlebnissen meiner Eltern will ich mich nicht belasten. Für mich war es eine Befreiung, als ich endlich die Wahrheit kannte. Es sind Zentner von mir abgefallen!“
? „Damals dachte ich, es sei meine Aufgabe, Mutter wieder glücklich zu machen. Als ich merkte, ich kann die Mama nicht trösten, stürzte ich in die tiefste Verzweiflung“.
? „Den Schwestern kommt es häufig wie Verrat vor, wenn sie ausprobieren, wie es sich anfühlt auf eigenen Füßen zu stehen und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen.“
? „Rückwirkend sieht sie in ihrem Suizidversuch einen letzten Hilferuf – nachdem ihre Bulimie nicht ausgereicht hatte. In ihr steckte das Gefühl absoluter Wertlosigkeit. Sie habe immer gedacht, sie müsse sich die Liebe ihrer Mutter erst noch verdienen, nur habe sie nicht gewusst, wie. Sie dachte, alles sei allein ihre Schuld. Sie verstand nicht, warum sie nicht glücklich sein konnte. Sie hatte doch alles!“

Hier auch ein interessanter Artikel in der Süddeutschen Zeitung zum selben Thema: „Der Kern des Problems ist das Schweigen“.

Auch für die ältere Generation gibt es ein tolles Buch von der gleichen Autorin: „Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen“. Mich hat die Lektüre jedenfalls zu viel mehr Verständnis für meine Eltern verholfen und ich kann es Euch wirklich nur ans Herz legen!

Der Psychoanalytiker Hartmut Radebold stellt dazu fest: „ Die von der 2. an die 3. Generation „vererbte“ psychische Erfahrungsgeschichte lässt sich zwar verleugnen, bagatellisieren und bewusst für nichtig erklären – auslöschen lassen sich die Spuren nicht. Die dritte Generation besaß und besitzt allerdings die Chance, sich ihrer eigenen Reaktionen bewusst zu werden, um sie reflektieren und gegebenenfalls verändern zu können.“

In diesem Sinne,
ganz viele liebe Grüße
A.