Zitat

Kontrolle oder Loslassen? Verzweiflung oder Liebe?

Wir drehen durch, werden unzurechnungsfähig und haltlos, wenn wir das Bewußtsein für den Glauben an die unkontrollierte und ungreifbare Welt im Hintergrund verlieren, welche endgültig das ist, was wir selbst sind. Und es gibt nur einen winzigen Unterschied, wenn überhaupt, zwischen einem vollständigen, bewußten Glauben und der Liebe.

Allen Watts: Dies ist ES. Über Zen und spirituelle Erfahrung. Reinbek, 1985

 

 

DIE Gretchenfrage: Wer bin ich? Und warum?

Schließlich gibt es auch einen wichtigen psychosozialen Grund für das Entstehen des Ich: Wir werden von unserer Mutter, unseren anderen Familienangehörigen, Freunden, Schulkameraden als ein Individuum, eine ‚ungeteilte‘ Einheit behandelt, angeredet, und zwar mit einem Du, das jeweils mit einem Ich korrespondiert. So lernen wir uns selbst als eine Einheit zu betrachten und zu benennen.

Das Ich ist also eine Gestalt, eine Vielheit mit einem gemeinsamen Schicksal, und diese Gestalt ist dynamisch, nicht statisch. Das Ich wandelt sich und erzeugt zugleich ein Kontinuum, und nur bestimmte Erkrankungen des Gehirns oder der Psyche (die letztlich auch auf Gehirnerkrankungen zurückgehen) können dieses Kontinuum zerstören.

Roth, Gerhard: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Stuttgart, 2011.

Hach ja… #69

Hochgradiger Stress kann also nur mit Routine-Entscheidungen bekämpft werden, aber diese sind prinzipiell situationsabhängig.

Gerhard Roth

Was ist Wahrheit?

Wenn wir uns fragen sollten, ob diese Vision wahr ist, können wir als erstes antworten, daß es so etwas wie Wahrheit in sich gar nicht gibt: Wahrheit steht immer in Relation zu einem eingenommenen Standpunkt. Feuer ist in Relation zu Haut heiß. Die Struktur der Welt erscheint, wie sie in Relation zu unseren Sinnesorganen und unseren Gehirnen erscheint.

Allen Watts: Dies ist ES. Über Zen und spirituelle Erfahrung. Reinbek, 1985

„Schneller!“ – Von der Pathologisierung des Lebens

Das zeigt sich z.B. auch daran, dass es 1980 als normal galt, wenn ein Mensch ein Jahr lang um einen nahen Angehörigen trauerte. 1994 sollten mindestens zwei Monate Trauerzeit verstreichen, bevor ein Psychiater dies als eine behandlungsbedürftige Depression einstufen konnte. Seit Mai 2013 wird dieser Zustand im DSM-5 bereits nach wenigen Wochen als kritisch eingeschätzt.

Roth, Gerhard, Ryba, Alica: Coaching, Beratung und Gehirn. Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte. Stuttgart, 2016.

Hilft es wirklich, Burnout als Krankheit zu sehen?

Wenn psychische Störungen mit Krankheit und Einschränkung verbunden werden, so kann dies negative Folgen für die Behandlung haben. Der Patient kann sich unter dieser Prämisse nur allzu leicht in die Rolle des Hilflosen begeben und passiv auf die Lösung durch Medikamente oder durch den Therapeuten warten. Diagnosen werden daher von Szasz (1973), aber auch von anderen Therapeuten als sich selbst erfüllende Prophezeiungen kritisiert, die das aktuelle Problemerleben festigen.

Roth, Gerhard; Ryba, Alica: Coaching, Beratung und Gehirn. Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte. Stuttgart, 2016.

Leistungsgesellschaft – Spät zum Arzt gehen

Im Ergebnis zeigt sich, dass Mitarbeiter, die sich coachen lassen, als gesund und leistungsfähig gelten. Coaching wird positiv mit Leistungssteigerung assoziiert und genießt daher eine hohe Wertschätzung als Personalentwicklungsinstrument. Eine Psychotherapie hingegen wird mit Krankheit, Defizit und Leistungsausfall verbunden. Die damit einhergehende Stigmatisierung führt zu Berührungsängsten bei Mitarbeitern und Personalmanagern.

Roth, Gerhard; Ryba, Alica: Coaching, Beratung und Gehirn. Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte. Stuttgart, 2016.

Hach ja… #65

“‘Men are most apt to kill or wish to kill when they feel overcome by meaninglessness.’ [Robert Jay Lifton]. In der Tat: aggressive Impulse scheinen nicht zuletzt dort zu wuchern, wo ein existentielles Vakuum vorliegt.“

Viktor E. Frankl
in: Der Mensch auf der Suche nach Sinn. Stuttgart: Herder, 1975.

 

Oliver Kahn: Was tun in und nach der Krise?

Kahn, Oliver: Ich. Erfolg kommt von innen. München, 2008

lch weiß, wie man in den Burn-out kommt. Und dass es möglich ist, den Burn-out zu besiegen. Wer im Burn-out steckt, sollte ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Um wieder runterzukommen und die Anspannung loszuwerden. Ist die Krise überwunden, sollte man beginnen, sein Leben zu überdenken und zu verändern. Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass das Streben nach Erfolg, wenn es dauerhaft exzessiv und zwanghaft betrieben wird, krank machen kann. Man muss lernen, dass der Erfolg nichts bringt, wenn er einen kaputt macht.

Oliver Kahn: Von der Bedeutung der Netzwerke

Kahn, Oliver: Ich. Erfolg kommt von innen. München, 2008

Ein zweiter Effekt des Überengagements liegt in der Desozialisierung. ‚Wir hören auf, in ein soziales Netzwerk eingebunden zu sein. Das ist mindestens so fatal wie das Missverhältnis aus Anspannung und Entspannung. Denn gerade das (intakte) soziale Netz, das, was man als „das Leben“ bezeichnen könnte, ist in der Lage, jede Form von Belastung auszugleichen. Wird ein bestimmter Knotenpunkt des Netzes belastet, weil man in einem Tätigkeitsbereich unter Druck steht, wird dieser Druck über das gesamte Netz abgeleitet. Jeder weitere Knotenpunkt des Netzes und jede Verbindung zwischen ihnen trägt zum Ableiten des Drucks und der Spannungen bei.

Natürlich ist auch der Beruf selbst ein wichtiger Knotenpunkt im Netz. Daneben gibt es, wir haben schon davon gesprochen, etwa die Knotenpunkte der Partnerschaft und der Familie, sie bieten Geborgenheit im engsten Sinne. Es gibt die Knotenpunkte des persönlichen Netzwerkes aus Freunden und Bekannten. Es gibt die Knotenpunkte der Freizeitaktivitäten und der Hobbies. Und es gibt natürlich die Knotenpunkte der physischen Existenz, das Essen, das Trinken, das Genießen, und auch hier das Ruhen, das Schlafen. Im intakten Netz kann jeder Energieverlust in einem Teilbereich des Lebens durch die „Reserven“ in den anderen Bereichen aufgefangen werden. Ich muss Ihnen nicht erklären, was passiert, wenn das Netz brüchig wird oder gar einzelne Knotenpunkte vollständig „herausfallen“.

Aus: Kahn, Oliver: Ich. Erfolg kommt von innen. München, 2008.

Oliver Kahn: Der Kreislauf des Ausbrennens

Kahn, Oliver: Ich. Erfolg kommt von innen. München, 2008

Der Vorgang des Ausbrennens, des Burn-outs, ist ein komplexer, vielschichtiger Prozess, dessen Verlauf stark von den individuellen, den biologischen, aber auch den biografischen Voraussetzungen des einzelnen Menschen abhängig ist. […]

Oliver Kahn: Überforderung macht Spaß?

Kahn, Oliver: Ich. Erfolg kommt von innen. München, 2008

Das Irre ist, dass man selbst im Augenblick der reinen Erschöpfung sich nicht zwangsläufig daranmacht, etwas dagegen zu unternehmen. Etwa eine Pause zu machen. Abstand zu gewinnen. Oder gar ganz aufzuhören. Mein langjähriger Trainer und – man muss fast sagen – Weggefährte durch viele Triumphe und Niederlagen, Ottmar Hitzfeld, hat es mal perfekt auf den Punkt gebracht. Er sprach von der Schicksalsgemeinschaft der „Gezeichneten“, der „Ausgelaugten“, nicht ohne aber gleich hinzuzufügen: den „Besessenen“. Da ticken wir beide absolut synchron: Wenn wir in der Position waren, die Hand nach drei Titeln innerhalb einer Saison auszustrecken, dann wollten wir die Dinger auch heimfahren. Selbst wenn wir längst auf Reserve liefen. Selbst wenn wir den Karren dazu hätten kilometerweit schieben müssen, barfuß oder auf den Knien oder überhaupt nur noch auf dem Boden robbend. Und wir hatten sogar noch Spaß dabei, unbedingten Spaß. Es ist toll, aber es ist nicht gut – ein Widerspruch? Es ist ein bisschen wie mit einem Waldbrand. Ein Funke, und man brennt, lichterloh. Das Bild stimmt vollumfänglich: Man droht dabei auch abzubrennen. Es bleibt dann nicht viel über.

Aus: Kahn, Oliver: Ich. Erfolg kommt von innen. München, 2008

Hach ja… #57

Kein Gesetz verbietet den Egoismus.
Kein Gesetz verbietet die Verachtung.
Kein Gesetz verbietet den Hass.
Kein Gesetz verbietet  – so dumm ist es nun mal – die Bösartigkeit.

André Comte-Sponville: Kann Kapitalismus moralisch sein? Zürich, 2009

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