Stress als vorherrschendes Lebensgefühl unserer Zeit?

TK_Logo (200x200)Im Sommer 2016 ließ die Techniker Krankenkasse zum dritten Mal seit 2008 eine repräsentative „Stressstudie“ durchführen, um den Stresslevel in Deutschland zu testen. Das Ergebnis: 60% der Deutschen fühlen sich dauerhaft gestresst. Seit der ersten Befragung ist ein beunruhigender Trend erkennbar: Entspann dich, Deutschland. TK-Stressstudie 2016

Zeit OnlineAuch eine andere Studie, die im Auftrag der Hamburger Körber Stiftung durchgeführt wurde, kommt zu diesem Ergebnis, wie ZEIT ONLINE kürzlich berichtete: „Lieber vier als fünf Tage arbeiten„: Zwei Drittel der Befragten fühlen sich dauerhaft gestresst.

Trotzdem glücklich sein?

haig_gruendeMan kann depressiv und glücklich sein, genau wie man ein trockener Alkoholiker sein kann.

Matt Haig: Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben, München, 2016.

Tipp für Weihnachten: Der „Schwarze Hund“ im Doppelband

41xf5ja6vtlWer noch auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken ist, der sei darauf hingewiesen, dass es momentan eine günstige Doppel-Sonderausgabe von Matthew Johnstones Büchern gibt, die Depression und den guten Umgang mit ihr auf eine gute Art erklären.

Die Sonderausgabe „Der schwarze Hund“ umfasst die zwei Bücher, die normalerweise nur separat verfügbar sind: „Wie ich meine Depression an die Leine legte“ und „Wie Angehörige und Freunde depressiven Menschen helfen können, ohne sich dabei selbst zu verlieren„.

Matthew Johnstone zeigt direkt und indirekt Betroffenen auf eine gute und leichte Art, was es mit Depression auf sich hat und wie man mit ihr und Erkrankten gut umgeht. Insofern ist es ein gutes Mittel, sich selbst mitzuteilen, ohne etwas erklären zu müssen, was eben so schwer zu erklären ist.

Ablenkung als Strategie

Csikszentmihalyi, FlowDer Normalzustand des Bewußtseins ist Entropie – ein Zustand, der weder nützlich noch angenehm ist.
Um diesen Zustand zu vermeiden, sind die Menschen gewöhnlich darauf bedacht, ihre Gedanken mit allen möglichen zur Verfügung stehenden Informationen zu füllen, so lange diese die Aufmerksamkeit vom Inneren und den negativen Gefühlen ablenken. Das erklärt, warum so ungeheuer viel Zeit beim Fernsehen [am Handy oder in der Arbeit] verbracht wird, obwohl man es nur selten genießt. Verglichen mit anderen Reizen – wie Lesen, Gespräche mit anderen Menschen, Hobbys – stellt einem […] Fernsehen [und Handy oder PC] ständig leicht zugängliche Informationen zur Verfügung, die die Aufmerksamkeit des Zuschauers mit nur geringen Kosten an psychischer Energie strukturieren. Wenn man fernsieht [am Handy herumspielt oder arbeitet], braucht man keine Angst zu haben, dass die abschweifenden Gedanken einen zwingen, sich dringlichen persönlichen Problemen zu stellen. Es ist verständlich, dass man diese Gewohnheit kaum noch aufgeben kann, wenn man sie einmal als Strategie für die Überwindung psychischer Entropie entwickelt hat.
Der bessere Weg, das Chaos im Bewußtsein zu vermeiden, besteht natürlich in Gewohnheiten, die einem Kontrolle über geistige Prozesse verleihen, statt sich auf eine Außenquelle der Stimulierung zu verlassen, wie beim Fernsehen [am Handy oder bei Arbeitsdingen].

Csikszentmihalyi, Mihaly: Flow: Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart, 2001.

Der Sturm

murakami_kafkaUnd wenn der Sandsturm vorüber ist, wirst du dich kaum erinnern, wie du ihn durchquert, ihn überlebt hast. Du wirst nicht einmal sicher sein, ob  er wirklich vorüber ist. Nur eins ist sicher. Wenn du aus dem Sandsturm kommst, bist du nicht mehr derselbe Mensch, der in ihn heineingeraten ist. Darin liegt der Sinn dieses Sturms.

Haruki Murakami: Kafka am Strand. Köln, 2011

Was du während einer Panikattacke denkst

haig_gruende

Dinge, die du während deiner ersten Panikattacke denkst

  1. Jetzt sterbe ich.
  2. Ich werde verrückt, endgültig.
  3. Das hört nie auf.
  4. Es wird immer schlimmer.
  5. Kein Herz ist dafür gemacht, so schnell zu schlagen.
  6. Ich denke viel zu schnell.
  7. Niemand hat je so was erlebt. Nie. In der ganzen Menschheitsgeschichte nicht.
  8. Warum sind meine Arme so taub?
  9. Ich überstehe das nicht.

 

Dinge, die du während deiner tausendsten Panikattacke denkst

  1. Jetzt geht es los.
  2. Ich kenne das schon.
  3. Puh, aber es ist echt schlimm.
  4. Vielleicht sterbe ich.
  5. Ich sterbe nicht.
  6. Ich bin eingeschlossen.
  7. So schlimm war es noch nie.
  8. Nein, stimmt nicht. Denk an Spanien.
  9. Warum sind meine Arme so taub?
  10. Ich überstehe das.

Aus: Matt Haig: Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben, München 2016